Vorgestern hatte ich also mein erstes Vorstellungsgespräch bei einer Jobvermittlungsfirma. Bevor ich aber dort hin konnte, musste ich erst ein mal zum lokalen Bürgerbüro um meine “Alien Registration Card” zu beantragen, ohne die ich hier keine Arbeit, kein Konto, kein Handy und viele weitere Sachen einfach nicht machen oder bekommen kann. Jeder Ausländer, der länger als 90 Tage (180 in besonderen Fällen) in Japan bleiben kann/darf, muss diesen “Ausweis” beantragen, ansonsten gibt es Probleme mit der Einwanderungsbehörde.

Midori war so nett und hat mich begleitet und zusammen waren wir um Punkt 8:30 Uhr als erste “Kunden” im Bürgerbüro (Öffnungszeiten: 8:30 - 17:15 Uhr). Unser sehr netter und zuvorkommender Ansprechpartner/Sachbearbeiter ist durchaus des Englischen mächtig, aber mit Midoris Übersetzungshilfe ging es doch ein wenig schneller als ohne. Während ich das Formular ausfüllte, unterhielten sich die zwei über Einwanderung nach Japan, die ganzen Voraussetzungen, etc. und siehe da, scheinbar steht ein Teil des Systems (oder sogar alles?) vor einer Erneuerung. Ab nächstem oder übernächstem Jahr sollen zahlreiche Gesetze und Vorschriften geändert werden oder in Kraft treten, die alles ein bisschen vereinfachen und den einwanderungswilligen Ausländern mehr Rechte einräumen und einiges an Zeit, Arbeit sowie Geld sparen sollen.

Im Gespräch stellte sich übrigens raus, dass ich hier einer von ca. 300 Ausländern bin (in 2009 hatten sie noch knapp 380 oder so). Deswegen bin ich hier also noch keinem westlichen oder afrikanischen aussehenden Ausländer begegnet (asiatische Ausländer, insbesondere Chinesen und Koreaner sind auch für mich mitunter schwer von Japanern zu unterscheiden): wir sind scheinbar eine seltene Spezies in dieser Umgebung.

Das ganze Prozedere hat übrigens ca. 30 Minuten gedauert und wir konnten das Bürgerbüro im mit dem Wissen verlassen, dass in ca. 2 - 3 Wochen mein Ausländerausweis abholbereit sein würde, sowie das ich ab jetzt krankenversichert bin über die nationale/gesetzliche Krankenversicherung. Zwar habe ich noch keine Beiträge bezahlt, aber wenn was passiert, dann kann ich sicher sein, dass ich zumindest nicht auf den kompletten Kosten sitzen bleiben werde. Das Krankenversicherungssystem sowie das Rentensystem ist übrigens dem in Deutschland sehr ähnlich. Das Rentenalter beginnt mit 63(? oder war es 65?), und man hat Anspruch auf Rente wenn man mind. 25 Jahre lang eingezahlt hat (wobei die diese Zahl wohl auf 10 Jahre reduzieren wollen irgendwann in den nächsten 2-3 Jahren oder so, falls sie es nicht schon gemacht haben).

Wie dem auch sei, sofern ich bald eine Arbeitsstelle finde, muss ich nicht mehr zwingend in der nationalen Krankenversicherung sein, welche übrigens die teuerste ist, sondern kann mich über die Firma krankenversichern lassen, sofern diese das anbietet.

Nach dem Zwischenstop im Bürgerbüro ist Midori dann kurz zur Arbeit gefahren und ich bin mit dem Zug zu meinem ersten Vorstellungsgespräch. Die Fahrt dauerte ca. 70 Minuten und natürlich bin ich erst mal in die falsche Richtung gestiefelt. Naja.

Das etwa eine Stunde andauernde Gespräch war sehr gut, auch wenn ich erst mal gehörig ins Stottern kam, als mein “Case-Manager” mich bat mich kurz in Japanisch vorzustellen (自己紹介). Den Rest des Interviews haben wir dann allerdings auf Englisch gemacht. Nach einer Stunde hatten wir dann die meisten Fragen geklärt (Was sind Ihre Stärken? In welcher Industrie/Umgebung würden Sie gerne Arbeiten? Wie sind Ihre Gehaltsvorstellungen? etc.) und sie präsentierte mir vier möglichen Stellen, die auf mein Profil passten, in verschiedensten Unternehmen, u. a. Rakuten (wie Google oder Yahoo, ein Big Player in Japan), sowie Gree, Hersteller des größten jap. Social Network (denkt ‘StudiVZ’) sowie Spielen für mobile Geräte, u. a. iPhone, Android-Handys, etc.. Alles sehr interessante Positionen und, besonders wichtig, nicht allzu weit entfernt (dazu in einem nachfolgendem Beitrag mehr).

Nach dem Gespräch hatten Midori und ich uns zu einem “Date” (ohne Kinder, die waren in der Schule) in Ueno, einem Stadtteil Tokios, verabredet. Wir verbrachten gut drei Stunden in アメ横 (Ameyoko), einer bekannten Einkaufs- und Fressmeile dort. Am Ende des langen Nachmittages auf dem Weg nach Hause taten mir dann auch die Füße weh, aber der Reihe nach.

Date in Ueno

Zunächst mal durchstöberten wir ein 7- oder 8stöckiges “Spielwarengeschäft”, die durchaus nicht selten sind hier in Tokio. Die haben echt so viel Zeugs und Krams, das geht auf keine Kuhhaut. Naja, nach knapp 40 Minuten auf und ab hat meine Frau dann ein Kartenspiel in Form eines Bento für die Kinder gekauft und weiter ging es.

Mittagessen! Midori bestand darauf, dass ich 小籠包 (しょうろんぽう) probiere und ich habe es nicht bereut. Diese gefüllten Teigtaschen schmecken echt hervorragend! Müsst ihr unbedingt mal probieren, wenn ihr nach Ueno kommt (oder Yokohama, dort sollen sie noch besser sein)!

小籠包

小籠包 Abbildung

Mein Essen und Ich

Nach diesem reichhaltigen Mahl ging es weiter und keine 5 Meter später ruft mir ein türkischer Mitbürger aus seiner kleinen Dönerbude, welche neben den ganzen anderen Fressbuden nicht weiter auffiel, zu “Hey, do you want to taste the best Kebap?” Nein, danke, ich war bereits satt und außerdem gibt es den besten Döner überhaupt in Düsseldorf beim “Speed-Döner” am Worringerplatz. :-)

Nach den ganzen Fressläden kamen dann die Klamottenshops und zwei große “Süßigkeiten”läden, die wir uns mal näher ansahen. Diese “Süßigkeitenläden” haben nicht nur eine riesen Auswahl an typisch Japanischen Snacks (Reiscracker, Reisgebäck, Edamame, 肴(さかな) bzw. おつまみ, z. B. getrockneter Fisch oder Oktopus/Tintenfisch (schmeckt richtig gut mit Bier dabei)), sondern auch einiges an Importware aus verschiedenen Ländern: Schokolade aus der Schweiz, Karamelpopkorn und Chocolate-Cookies aus den USA, sowie verschiedene Haribosorten und Schokolade (Ritter Sport) aus Deutschland um nur einige zu nennen.

Natürlich haben diese Importwaren so ihren Preis: 100g Haribo für 190 Yen (1,90 Euro). Woah! Da kriegt man ja schon knapp 600g für in Deutschland. Davon abgesehen ist die Sortenvielfalt hier halt nicht so vielfältig. Ich meine ich habe an die 6 oder 7 verschiedene Haribosorten gesehen, davon nur eine Lakritz-Sorte und die war nicht mal 100% Lakritz, sondern nur 50% (diese Fledermaus-Lakritz-Dinger). Lakritz wird halt von den Japanern nicht gemocht, die vertragen einfach den Geschmack nicht. Getrocknete Fischinnereien als Beilage zum Bier sind dagegen okay. Muss ich nicht verstehen. Die Ritter Sport Sorten sind übrigens auch auf 3 oder 4 beschränkt, was mir aber nicht so wichtig ist, da ich eh kaum Schokolade esse. Nur das mit dem Lakritz ärgert mich ein bisschen. Nur ein bisschen im Moment, da ich mir ja mehrere Kilos an Haribo und Lakritz per Post geschickt habe. :-)

Oh, was ich auch endlich gefunden habe ist Pfefferminztee. 10 Beutel für 260 Yen (2,60 Euro). Ich hätte mir echt ein paar Packungen beim Aldi für 60 Cent oder so kaufen sollen bevor ich geflogen bin. Mist.

Nun gut, nach dem Durchstöbern der Süßigkeitenläden sind wir dann wieder auf die gut belebte Straße auf der uns von beiden Seiten Marktschreier ihre Waren andrehen wollten. Zunächst waren das (Hand)Taschen- und Rucksackhändler sowie Juweliere, aber nach ein paar Metern wurde uns dann von mehreren Verleihnix frischer Fisch feilgeboten.

Ein ganz hartnäckiger Schreier, der übrigens fast nur noch Röcheln konnte, weil er scheinbar jeden Tag rumblökt, hat dann Midori in seinen Bann gezogen und die zwei fingen an zu verhandeln. Seine Frau, ebenfalls im Schrei-bis-du-heißer-bist-Business, mischte sich dann auch gleich ein und versuchte natürlich den Preis hoch zu halten, während er zum Handeln bereit war. Naja, nach einigem Hin und Her haben wir dann für ein großes Stück Thunfisch (für Sushi, welches wir dann gestern Abend hatten - lecker!) statt für 8000 Yen (80 Euro) für weniger als 2000 Yen (20 Euro) bekommen, plus noch eine Box mit weiteren Fisch (keine Ahnung mehr was genau das für einer war), die normalerweise auch noch mal 1000 Yen (10 Euro) kostet. Cool. Ich glaube zwar, wenn ich da alleine versucht hätte zu handeln, dann wäre ich vermutlich nicht mal halb so weit mit dem Preis runter wie meine Frau, aber was solls. :-)

Danach haben wir uns noch je einen Fruchtspieß (frische Melone und frische Ananas) gegönnt beim Obsthändler und dann sind wir auch nach Hause gefahren.

Durch und durch ein anstrengender, jedoch auch erfolgreicher Tag. Und jetzt freue ich mich erst mal auf’s Mittagessen.